Kann Wasserstoff im großen Stil von Afrika nach Europa gelangen?

Ja, das ist möglich. Allerdings ist dies ein komplexes Unterfangen. Warum das so ist, beleuchtet dieser Beitrag.

Seite empfehlen
Veröffentlicht am 13.06.2024 

Weg nach Europa

Die Zukunft der Energieversorgung liegt in erneuerbaren Energien, und Wasserstoff spielt dabei eine Schlüsselrolle. Dass Afrika künftig ein wichtiger Wasserstofflieferant sein kann, hatten wir bereits in einem Beitrag beschrieben. Aber wie soll der Wasserstoff künftig seinen Weg nach Europa finden und welche Hürden sind dabei zu überwinden?

Pipelines: Die direkte Verbindung

Eine der naheliegendsten Methoden ist der Bau von Pipelines, die Nordafrika mit Südeuropa verbinden. Durch solche Rohrnetze könnte Wasserstoff direkt nach Europa geleitet werden. Allerdings sind die Anfangsinvestitionen enorm. Der Bau einer solchen Infrastruktur könnte mehrere Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen technische Herausforderungen, da Wasserstoff kleinere Moleküle als Erdgas hat und damit höhere Anforderungen an die Materialbeschaffenheit der Pipelines stellt.

Verflüssigung und Schiffstransport: Flüssigwasserstoff und Ammoniak

Eine andere Möglichkeit ist der Transport von verflüssigtem Wasserstoff per Schiff. Wasserstoff wird dabei auf -253 °C gekühlt, um ihn in flüssiger Form zu transportieren. Ein Vorteil dieser Methode ist die Nutzung bereits vorhandener Schifffahrtsrouten. Allerdings ist die Verflüssigung von Wasserstoff energieintensiv. Die Gesamtenergie, die benötigt wird, um 1 Kilogramm Wasserstoff zu verflüssigen, liegt typischerweise zwischen zehn und 15 Kilowattstunden (kWh). Zum Vergleich: Ein deutscher Zweipersonenhaushalt verbraucht pro Tag etwa neun kWh.

Eine alternative Methode besteht darin, Wasserstoff in Ammoniak (NH3) umzuwandeln, was den Transport erleichtert. Am Zielort kann der Wasserstoff wieder aus dem Ammoniak gewonnen werden. Aber aktuell ist auch diese Vorgehensweise sehr energieintensiv und bedarf hochkomplexer industrieller Anlagen.

10 Mio.
Tonnen Wasserstoff

Diese Menge wird Europa im Jahr 2030 vermutlich benötigen.  

 

Flüssige organische Wasserstoffträger (LOHC): Chemische Bindung

Eine weitere innovative Methode ist die Nutzung von flüssigen organischen Wasserstoffträgern (LOHC). Wasserstoff wird hierbei chemisch an Trägerverbindungen gebunden und in flüssiger Form transportiert. Die beiden gängigsten Träger sind hierbei Dibenzyltoluol und N-Ethylcarbazol. Nach dem Transport wird der Wasserstoff wieder freigesetzt und die Trägerverbindung kann erneut verwendet werden. Diese Technologie ist noch relativ neu, bietet aber vielversprechende Ansätze zur sicheren und effizienten Handhabung von Wasserstoff.

Der Transport von Wasserstoff ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern erfordert auch eine enge internationale Zusammenarbeit und erhebliche Investitionen.«
Thierry Lepercq, Präsident von HyDeal.

Stolpersteine auf dem Weg

Die größten Aufgabenstellungen liegen nicht nur in der technischen Umsetzung, sondern auch in den finanziellen und politischen Rahmenbedingungen. „Der Transport von Wasserstoff ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern erfordert auch eine enge internationale Zusammenarbeit und erhebliche Investitionen,“ sagt Thierry Lepercq, Präsident von HyDeal, dem europäischen Projekt zur Entwicklung und Förderung der Produktion und Verteilung von grünem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Nachfrageentwicklung. Der europäische Markt für Wasserstoff muss stabil und vorhersehbar sein, um die enormen Investitionen zu rechtfertigen. Dafür müssen frühzeitig verlässliche politische und regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden.  Dazu gehört auch die Harmonisierung der Vorschriften zwischen den Herkunfts- und Zielländern.  

Laut einer Analyse der Boston Consulting Group (BCG) wird die Nachfrage nach importiertem Wasserstoff in Europa bis 2030 auf bis zu zehn Millionen Tonnen geschätzt. 

Fazit: Eine komplexe, aber notwendige Herausforderung

Der Transport von Wasserstoff von Afrika nach Europa ist ein komplexes Unterfangen und erfordert technologische Innovationen, wirtschaftliche Anreize und politischen Willen. Aber: Die Entwicklung einer nachhaltigen und sicheren Wasserstoffinfrastruktur könnte einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Energieversorgung leisten.

Eins ist klar: Mit den richtigen Investitionen und Kooperationen kann Wasserstoff zu einem Schlüsselelement der europäischen Energieversorgung werden.

So kommen wir ins Gespräch!

Was liegt Ihnen auf dem Herzen, wenn Sie an die aktuelle und künftige Versorgung mit Wärme und Warmwasser denken? An welchen Stellen sind Sie skeptisch oder haben Sie Rede- und Informationsbedarf? Lassen Sie es uns wissen.

Der Energietalk auf Radio Erft: Alle Folgen als Podcasts abrufbar.

Ein Jahr und viele Sendungen lang hatte die Redakteurin und Moderatorin Sarah Lenz zahlreiche Energie-Experten im Studio. Das große Thema jeder Sendung: Die Energiezukunft im Rhein-Erft-Kreis. Von der Gasversorgung bis hin zu Wasserstofflösungen, vom Heizungsgesetz über Wärmepumpen bis hin zur kommunalen Wärmeplanung. Stöbern Sie jetzt durch alle Sendungen und machen Sie sich schlau – denn auf Details und Expertenwissen kommt es an.  

Zu den bestehenden Podcast-Folgen