Wird’s bei mir auch mit Wasserstoff und Biogas immer warm?

Ganz bestimmt. Und wahrscheinlich sogar wirtschaftlicher als mit anderen Heizsystemen.

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Veröffentlicht am 16.10.2023 

Es muss nicht immer Erdgas sein.

Wasserstoff (H2) und Biogas sind ausgezeichnete, CO2-neutrale Alternativen zu Erdgas. Und als solche potenziell geeignet, um Gebäude zu beheizen. Schon heute strömen beide Gase durch die Gasnetze in der Region. In Teilen von Erftstadt liegt der Wasserstoffanteil in den Leitungen der GVG im Rahmen eines Pilotprojekts bei bis zu 20 Volumenprozent.

Biogas macht in Deutschland etwa ein Prozent des Verbrauchs aus. Branchenkenner bescheinigen dem Brennstoff ein Potenzial von bis zu zehn Prozent Anteil. Das durch Vergärung von Biomasse gewonnene Gas wird vor der Einspeisung auf Erdgasqualität aufbereitet. Folglich lässt sich auch reines, sogenanntes Bioerdgas ohne jede technische Anpassung in handelsüblichen Brennwertgeräten nutzen.

Reinen Wasserstoff zu verbrennen, erfordert einen deutlich größeren Aufwand – auch Veränderungen an der Technik sind notwendig. Doch entsprechende Geräte sind schon bald verfügbar. Hersteller bieten bereits H2-ready-zertifizierte Heizgeräte an. Damit sind diese technisch auf den Einsatz von Wasserstoff vorbereitet. Derzeit werden Geräte für eine 100-prozentige Nutzung von H2 erprobt. Zudem ist davon auszugehen, dass die Industrie Umrüstkits anbieten wird.

Zentraler Faktor Preis

Um seinen hohen Wert herauszustellen, wird Wasserstoff oft als Champagner unter den Energieträgern bezeichnet. Zu Recht. Er verbrennt CO2-neutral, ist speicherbar, vielseitiger verwendbar als Erdgas – etwa in einer Brennstoffzelle – und noch vergleichsweise rar. Ebendies wirft natürlich schnell die Frage auf, ob das Gas nicht viel zu schade ist, um damit Wohnungen zu heizen. Die Antwort darauf ist: nein. Im Gegenteil.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, lohnt sich wie so oft ein Blick auf das größere Ganze. Klar, für die flächendeckende Einführung von Wasserstoff sind hohe Investitionen nötig. Das gilt aber auch für alle anderen regenerativ arbeitenden Heizsysteme – ob Wärmepumpe mit Ökostrom oder Fernwärme aus entsprechenden Quellen. Allerdings bietet Wasserstoff einen ganz entscheidenden Vorteil: Er ist monatelang speicherbar. Was sich bei genauerem Hinschauen als wichtiges Argument erweist. Denn hierzulande entsteht Ökostrom vor allem

im Sommer, wenn die Sonne scheint. Und eben nicht in den Monaten, in denen üblicherweise viel Heizenergie nötig ist. Bei einer mit Wasserstoff betriebenen Heizung spielt dieser zeitliche Versatz zwischen Bedarf und Erzeugung keine Rolle. Im Sommer produziert, lässt er sich so lange einlagern, bis er gebraucht wird.

Zugegeben – noch gibt es nicht ansatzweise genug Wasserstoff, um Erdgas im großen Maßstab zu ersetzen. Aber Nachfrage schafft Angebot. Und bringt den Markt ins Rollen. Deshalb gilt es heute schon, entsprechende Erzeugungskapazitäten und die nötige Infrastruktur zu planen und aufzubauen. Und ja: Für Wasserstoff passt – Stand heute – der Champagnervergleich auch aus finanzieller Sicht. Ein Aspekt, der vor allem für die energieintensive Industrie nicht zu unterschätzen ist. Denn bis vor der Krise kamen diese Betriebe zu Konditionen an Erdgas, die sich mit Wasserstoff nicht darstellen lassen. Experten rechnen mit mindestens dreifach höheren Kosten pro Kilowattstunde, die die Industrie beim Umstieg auf Wasserstoff stemmen müsste. Inwieweit die Unternehmen dann auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben, wird sich also erst noch zeigen. Mit einem optimistisch geschätzten Preis von sechs bis sieben Cent pro Kilowattstunde wäre Wasserstoff aber eine auch preislich durchaus attraktive Option für den Heizungskeller.

Ganz davon abgesehen braucht ein wirtschaftlich tragbares Wasserstoffnetz viele Millionen Kundinnen und Kunden. Denn auch der Betrieb dieser Infrastruktur kostet Geld. Käme Wasserstoff nur zu wenigen, ausgewählten Unternehmen, müssten diese zusätzlich die Netzentgelte stemmen. Was den neuen Brennstoff noch kostspieliger machen würde. Je mehr Nutzerinnen und Nutzer versorgt werden, desto kleiner wird der Anteil der Netzkosten am Gesamtpreis.

Passend zum Bedarf

Und dann ist da ja noch die Frage, ob überhaupt genug Strom verfügbar ist, um die aktuell als beste Option gepriesenen Wärmepumpen flächendeckend und vor allem kosteneffizient zu betreiben. Denn genau dann, wenn viel Strom für die Beheizung von Gebäuden nötig ist, entsteht üblicherweise weniger. Kürzere Tage, flachere Einfallswinkel des Sonnenlichts und das üblicherweise eher schmuddelige Wetter lassen die Erträge von Photovoltaikanlagen von November bis Februar regelrecht einbrechen. Gase – gleich ob Wasserstoff oder Biogas – strömen hingegen je nach Bedarf aus den Speichern gleichmäßig durch die Rohre zu den Kundinnen und Kunden.

Übrigens: Wasserstoff als Heizenergieträger ist nichts Neues. Als in den 1950er und 1960er Jahren hierzulande noch Kokerei- und Stadtgas zur Anwendung kamen, lag der Wasserstoffanteil bei bis zu 50 Prozent.