Woher soll der ganze Wasserstoff kommen?

Wasserstoff soll zum tragenden Eckpfeiler einer klimaneutralen Energieversorgung in Deutschland werden. Allerdings wird der dafür hierzulande erzeugte Wasserstoff bei Weitem nicht ausreichen. Ein Großteil muss importiert werden. Bloß woher? Wir geben einen Überblick.

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Veröffentlicht am 18.04.2024 

Begrenzte nationale Kapazität

Deutschland fördert den Aufbau einer eigenen Wasserstofferzeugung massiv. Bis 2030 soll die dafür erforderliche Elektrolyse-Kapazität von 10 Gigawatt verfügbar sein. Aus Windenergie wird dann der begehrte grüne, also CO2-frei erzeugte Wasserstoff. Damit lässt sich allerdings der absehbare Bedarf nur zu etwa einen Drittel bedienen. Der meiste Wasserstoff muss daher aus dem Ausland importiert werden.

Grüner Wasserstoff aus Afrika

Überall, wo mehr erneuerbare Energie erzeugt werden kann als selbst verbraucht wird, lässt sich grüner Wasserstoff günstig herstellen. Das gilt für alle wind- und sonnenreichen Weltregionen, aber auch für Länder mit überschüssigem Strom aus Wasserkraft, wie Norwegen. Eine Potenzialanalyse zeigt, dass allein in West- und Nordafrika über 860-mal so viel grüner Wasserstoff erzeugt werden könnte, wie Deutschland bis 2050 importieren müsste, um die gesamte Wärmeversorgung von Haushalten und Industrie zu decken. Damit aus dem theoretischen Wert eine planbare Größe wird, schließt die Bundesregierung zahlreiche Energiepartnerschaften, beispielsweise mit Ägypten, Algerien, Tunesien und Marokko. Da aber in einigen dieser Länder Wasser für die Elektrolyse knapp ist, unterstützt Deutschland gleichzeitig den Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen, wie beispielsweise in Marokko. Viele dieser Länder sehen in der künftigen weltweiten Nachfrage nach Wasserstoff eine Chance, ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung durch Produktion und Export von grünem Wasserstoff nachhaltig voranzubringen.

„Meine persönliche Einschätzung ist, dass alles viel schneller und damit auch viel günstiger werden wird, als wir uns das bisher vorstellen“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zur Mitte 2023 vorgestellten Wasserstoffstrategie der Bundesregierung

Beispiel Namibia

Dazu gehört auch der südafrikanische Staat Namibia. Das Land will dafür sein riesiges Potenzial an Wind- und Sonnenenergie nutzen. Die Bundesregierung hat kürzlich ein ehrgeiziges grünes Wasserstoffprojekt in Namibia als „Auslandsprojekt im strategischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland“ klassifiziert und Förderung in Aussicht gestellt. Entwickeln will das Projekt ein führendes deutsches Unternehmen der Erneuerbaren Energien-Branche. „Dies eröffnet dem afrikanischen Land völlig neue wirtschaftliche Perspektiven und trägt zur Entwicklung eines internationalen Wasserstoffmarktes bei“, so Wirtschaftsminister Habeck.

Namibia ist nur ein Beispiel von vielen. Denn zahlreiche Länder sowie internationale Unternehmen haben Wasserstoff längst als wichtigen Zukunftsmarkt ausgemacht und wollen kräftig investieren.

Import auch von „blauem“ Wasserstoff

Auch wenn das Potenzial grünen Wasserstoffs groß ist, wird dessen Import nicht reichen, um hierzulande Erdgas mittelfristig als Energieträger zu ersetzen. In einer Übergangszeit wird Deutschland „grünen“ durch die Einfuhr von „blauem“, mit fossilem Erdgas erzeugtem Wasserstoff, ergänzen müssen. Der wird in großen Mengen verfügbar sein. So will beispielsweise Saudi-Arabien zum größten Wasserstoffproduzenten der Welt werden. Deutschland hat für den Import von „blauem“ Wasserstoff bereits ein Kooperationsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten geschlossen. Sogar eine Pipeline durch die Nordsee aus Norwegen nach Norddeutschland für den Transport von anfänglich blauem, später grünem Wasserstoff ist geplant.

Globaler Wasserstoffmarkt

Es zeichnet sich ab, dass es auf einem künftig globalem Wasserstoffmarkt viele Konkurrenten geben wird, die Wasserstoff zur Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft einsetzen wollen. Nicht nur die Nachfrage, auch das Angebot wird global sein. Neben den bereits genannten Lieferländern in Afrika und Nahost wollen auch Australien und Neuseeland sowie südamerikanische Staaten wie Chile zu führenden Anbietern von Wasserstoff werden. Kanada gehört ebenso dazu. Ein Deutsch-Kanadisches Abkommen soll die Wasserstoffwirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks ankurbeln. Erste Exporte aus dem nordamerikanischen Land sind bereits ab 2025 geplant.

 

Transportfrage offen

Wie und in welcher Form der Wasserstoff über zum Teil lange Strecken nach Deutschland transportiert werden kann und soll, ist ein eigenes Kapitel. Dazu später weiter mehr. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Fazit: Die Bundesregierung unternimmt momentan viel, um mit internationalen Energiepartnerschaften und Forschungskooperationen die künftige Versorgung des deutschen Wirtschaftsstandorts mit Wasserstoff sicherzustellen. Es gibt kaum einen Besuch deutscher Politiker im Ausland, bei dem Wasserstoff keine Rolle spielt. Die weltweiten Potenziale sind riesig – aber eben zurzeit noch weitgehend erst Potenziale. Woher der Wasserstoff in welchen Mengen letztlich kommen wird, entscheidet sich in der internationalen Konkurrenz auch über den Preis auf einem globalisierten Markt.

So kommen wir ins Gespräch!

Was liegt Ihnen auf dem Herzen, wenn Sie an die aktuelle und künftige Versorgung mit Wärme und Warmwasser denken? An welchen Stellen sind Sie skeptisch oder haben Rede– und Informationsbedarf? Lassen Sie es uns wissen.

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