Quo vadis, Wärmemarkt?

GVG-Vertriebsleiter Jürgen Bürger im Interview

GVGnews 1/23

Foto mit GVG-Verkaufsleiter Jürgen Burger

Gas wird weiterhin eine Rolle bei der Wärmeversorgung spielen

Das Thema Heizung und Wärmeversorgung steht aktuell stark im Fokus. Die Planung der Bundesregierung richtet den Blick auf die elektrische Wärmepumpe und wendet sich zunehmend von fossilen Energieträgern ab. Dennoch werde Gas auch künftig eine Rolle im Wärmemarkt spielen, prognostiziert GVG-Vertriebsleiter Jürgen Bürger. Im Interview zeigt er den Faktor des volkswirtschaftlichen Vermögens auf und nimmt unter anderem die Möglichkeiten in den Blick, wie die Gasversorgung grüner werden kann.

Herr Bürger, Erdgas gehört zu den fossilen Energieträgern. Ist die Gasversorgung damit ein Auslaufmodell?

Nein, das denke ich nicht. Richtig ist, dass die Politik aktuell massive Widerstände gegen Erdgas zeigt. Hintergrund ist die Reduktion der CO2-Emissionen. Hier ist Erdgas natürlich ein CO2-Emittent, wenn man es verbrennt. Die Diskussion zeigt aber nur die eine Seite der Medaille. Mit dem Erdgasnetz haben wir ein immenses volkswirtschaftliches Vermögen unter der Erde liegen, das über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde und das man weiternutzen sollte. Leider wird dieser Wert gerade ein Stück weit kaputtgemacht, da den Kunden empfohlen wird, sich vom Gas abzuwenden. Dabei ist das Erdgasnetz nicht nur ein hoher Wert, sondern auch eine funktionierende Infrastruktur, die große Energiemengen deutschlandweit transportieren und noch wichtiger saisonal speichern kann. Etwas ähnliches gibt es im Bereich Strom bislang nicht.

Gas ist allerdings immens teuer geworden. Ist es daher nicht verständlich, dass Haushalte günstigere Alternativen suchen?

Tatsächlich ist es so, dass wir aktuell eine Situation haben, in der die Energiekosten die Mietkosten fast schon übersteigen können. Die Lage auf dem Weltmarkt ist sehr aufgewühlt. Beruhigt sich die Weltlage, wird sich auch der Markt wieder beruhigen. Ich denke, die Preise werden sich in den kommenden Jahren einpendeln. Nicht mehr auf das niedrige Vorkrisen-Niveau, aber bei einem Preis, der deutlich unter der derzeitigen Gaspreisbremse (12 ct/kWh) liegt. Deutschland ist mit der Diversifizierung der Beschaffung auf einem guten Weg. Zu beobachten ist, dass auch die Strompreise stark angestiegen sind. Das verteuert dann auch die Wärme aus Wärmepumpen. Hier gilt zudem ein Jahreszeiten-Paradox: Viele Hauseigentümer installieren eine Photovoltaikanlage, um den Strom für die Wärmepumpe zu produzieren. Der meiste Strom entsteht jedoch im Sommer, während die Wärmepumpe ihn im Winter benötigt. In der Folge ist im Sommer zu viel Strom da und im Winter zu wenig. Für Haushalte ist es daher schwierig, für die Wärmeversorgung günstige Alternativen zum Erdgas zu finden. Generell ist es ohnehin nicht möglich, in der Wärmeversorgung kurzfristig komplett auf Gas zu verzichten.

Wieso ist Gas aus Ihrer Sicht für die Wärmeversorgung unverzichtbar?

Zunächst heizt rund die Hälfte aller Haushalte in Deutschland mit Gas. Schon jetzt ist die Anschaffung von Wärmepumpen mit langen Wartezeiten verbunden – ganz abgesehen von dem Fachkräftemangel, der auch die Installationsbetriebe betrifft. Neben der Verfügbarkeit der Geräte ergeben sich gerade bei Bestandsgebäuden aber auch technische Probleme. Das gilt insbesondere für Mehrfamilienhäuser, in denen die meisten Menschen in Deutschland leben. Hier sind Wärmepumpen nur äußerst schwierig und mit sehr hohen Investitionskosten einsetzbar – wenn überhaupt. Manchmal gibt es auch baulichen Rahmenbedingungen, die den Einsatz unmöglich machen. Beispielsweise wenn die Bebauung sehr eng ist und die Häuser auch keine Flachdächer als Aufstellfläche aufweisen. Wärmepumpen sind vorwiegend auf hocheffiziente Gebäude mit geringem Wärmebedarf und großen Heizflächen wie Fußbodenheizungen ausgelegt. Beides ist in den meisten Altbauten nicht gegeben. Die Transformation des Wärmemarktes bleibt daher eine langfristige Aufgabe, wobei kurz- bis mittelfristig bestehende Systeme besser für erneuerbare Energien nutzbar gemacht werden müssen.

Welche Veränderungen wären für den Wärmemarkt dann wünschenswert?

Unser Ziel ist es, mit guten Argumenten Denkanstöße zu geben. Würde die gesamte Wärmeversorgung auf Wärmepumpen umgestellt, ergäben sich Probleme im Stromnetz. Dies müsste massiv ausgebaut werden. Hinzu kommt wie beschrieben, dass Wärmepumpen in Altbauten nicht ihre volle Effizienz erreichen können. Hier sind die Heizungshersteller gefragt. Wir brauchen neue Geräte, die beide Seiten nutzen – Gasheizung und Wärmepumpe.

Welche Rolle kann Wasserstoff in der Wärmeversorgung der Zukunft spielen?

Durch die Beimischung von Wasserstoff können wir den Energieträger Erdgas ein ganzes Stück grüner machen. Denn Wasserstoff verbrennt CO2-frei und senkt damit in Summe die Emissionen. Die Voraussetzung ist, dass die Heizungen der Haushalte einen steigenden Wasserstoffanteil auch verarbeiten können. Neue Heizgeräte müssen daher auch für die Verwendung von Wasserstoff geeignet sein, also eine H2-Readiness aufweisen.

Wäre eine reine Wasserstoffversorgung nicht die beste Lösung?

Die Politik setzt aktuell in der Tat im großen Stil auf Wasserstoff. In der Gasversorgung kann man allerdings nicht das Erdgas einfach gegen Wasserstoff austauschen. Denn Wasserstoff hat deutlich weniger Energieinhalt als Erdgas. Man bräuchte also die drei- bis vierfache Menge an Wasserstoff, um dieselbe Menge an Energie zu den Haushalten zu transportieren. Derzeit ist Wasserstoff in diesen Mengen jedoch (noch) nicht verfügbar und zudem sehr teuer. Der grüne Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien produziert wird, unterliegt auch noch sehr großen Preisschwankungen. Hier ist es wünschenswert, dass die Politik für eine Übergangszeit nicht nur grünen Wasserstoff als Energiequelle in Betracht zieht.

Welches Potenzial bietet Bio-Erdgas als ebenfalls CO2-neutraler Energieträger für die Wärmeversorgung?

Bio-Erdgas hat auf jeden Fall seine Berechtigung. Allerdings ist auch hier das Potenzial begrenzt. Dadurch, dass es recht aufwendig zu produzieren ist, ist der Preis vergleichsweise hoch. Die Zahl an Biogas-Anlagen ist zudem begrenzt. Außerdem fließt ein Großteil der vorhandenen Biogasmengen aktuell zunehmend in den Verkehrssektor, um die Mobilität klimafreundlicher zu machen. In der Gasversorgung im Allgemeinen und im Wärmemarkt im Speziellen wird es daher keine 100-prozentige Versorgung mit Bio-Erdgas geben können. Nutzen sollten wir den Energieträger aber auf jeden Fall – besonders, wenn er in der Region produziert wird.

Welches Resümee würden Sie nun ziehen, speziell auch mit Blick auf den Wärmemarkt?

Wir müssen uns davon frei machen, dass es nur die eine ideale Lösung für die Energieversorgung gibt. Im Gegenteil: Der Mix verschiedener Energieträger und Systeme ist die Lösung. Erdgas, Wasserstoff und Biogas müssen mit geeigneten Heizsystemen hoch effizient genutzt werden. Die Kombination mit anderen Technologien kann die Schwächen der unterschiedlichen Systeme ausgleichen. Das muss sich aber immer an der jeweiligen Immobilie orientieren. Ein Altbau ist effizienter beheizt, wenn an sehr kalten Wintertagen die Gasheizung die Wärme liefert und nicht die Strom betriebene Wärmepumpe. Ein Mehrfamilienhaus ist CO2-neutral, wenn die Heizung grünen Wasserstoff hoch effizient zur Wärmeerzeugung einsetzt. Um die Wärmewende zu schaffen, brauchen wir Vielfalt und Individualität. Und die erhalten wir nur, wenn auch Gas eine starke Option bleibt.