"Ruhe bewahren und politische Entscheidungen abwarten"

Geschäftsführer Werner Abromeit im Interview

GVGnews 2/23

Foto mit Geschäftsführer Werner Abromeit

Wie geht es mit der Energieversorgung in Deutschland weiter?

Vor allem im Bereich der Wärmeversorgung herrscht durch die öffentliche Diskussion rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – umgangssprachlich auch Heizungsgesetz – große Unsicherheit bei Immobilienbesitzern. Zudem zeigt der Markt sinkende Energiepreise, die derzeit noch nicht bei den Kunden ankommen. GVG-Geschäftsführer Werner Abromeit nimmt Stellung und schätzt im Interview die Lage ein.

Herr Abromeit, die Preise an den Energiemärkten fallen. Wieso kann die GVG ihre Preise nicht einfach senken?

Unsere Beschaffungsstrategie ist darauf ausgerichtet, das preisliche Risiko zu streuen. Wir kaufen daher zu bestimmten Zeitpunkten sowohl bei steigenden und fallenden Marktpreisen die Erdgasmenge ein, die wir für die sichere Belieferung unserer Kunden benötigen. Durch diese Beschaffungsstrategie haben wir bei steigenden Marktpreisen noch relativ lange niedrige Kundenpreise. Bei niedrigen Marktpreisen – wie jetzt – ist es umgekehrt. Würden wir die Preise einfach senken, entstünde ein hoher wirtschaftlicher Schaden.

Welchen Vorteil bietet die GVG gegenüber den nun wieder auf den Markt drängenden Billiganbietern?

Wir bieten Sicherheit unabhängig von der Marktentwicklung. Denn genauso schnell wie die Preise gefallen sind, können sie auch wieder steigen. Der Ukraine-Krieg ist nicht vorbei. Kommt es beispielsweise noch einmal zu Ereignissen wie der Beschädigung der Nordstream Pipelines, würde sich das schnell auf den Markt auswirken. Die Billiganbieter sind nicht auf eine dauerhafte Versorgung in schwankenden Zeiten ausgelegt. Unsere langfristige Beschaffung bietet hier einen Vorteil, der die Unsicherheiten am Markt zu Sicherheit wandelt. Wer Sicherheit bei seiner Energieversorgung haben will, sollte daher immer auf den regionalen Versorger setzen.

Wann kommen die niedrigeren Preise bei den Kunden an?

Das ist eine schwierige Frage und hängt von vielen Faktoren ab. Ich denke allerdings, dass wir innerhalb der zweiten Jahreshälfte mit einem besseren Angebot in den Markt gehen können. Eingebunden in einen großen Beschaffungsverbund über die Rheinenergie Trading profitiert die GVG von den zunehmend diversifizierten Beschaffungswegen.

Viele Kunden haben sich über kurzfristig stark erhöhte Abschläge geärgert. Wie ist es dazu gekommen?

Der Ärger ist verständlich. Zustande gekommen ist die Situation durch den kurzfristigen Beschluss der gesetzlichen Rahmenbedingungen Ende des vergangenen Jahres. Die Lösung des Gesetzgebers stand erst fest, als für viele Kunden die Jahresabrechnung bevorstand. Mit der Gaspreisbremse gab es eine neue Komponente in der Abschlagsberechnung, die für jeden Kunden individuell betrachtet werden musste. So kam es in der Umsetzung zum Zeitverzug. Generell ist der Abschlag die gestückelte Vorauszahlung für die Jahresmenge an Energie und ergibt sich aus dem Energiepreis und dem tatsächlichen Verbrauch. Wurde hier zu viel gezahlt, erhalten die Kunden diese Differenz natürlich zurück.

Die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) bereitet vielen Menschen Sorgen. Wie sollten sich Hauseigentümer, die eine Gasheizung nutzen, jetzt verhalten?

Es gibt verschiedene Meinungen, wie sich die Menschen in der Zukunft klimaneutral mit Energie versorgen sollen. Die politische Meinungsbildung ist hier sehr langwierig. Das ist in Ordnung so, wenn daraus gute Lösungen entstehen. Wir wünschen uns hier jedenfalls einen technologieoffenen Ansatz. Die Entscheidungen, die ein Immobilienbesitzer treffen muss, setzen allerdings gute Gesetze voraus. Mein Ratschlag ist daher: Ruhe bewahren und die politischen Entscheidungen abwarten.

Bleibt Gas auch künftig ein Energieträger im Wärmemarkt oder ist es ein Auslaufmodell?

Aktuell entwickeln sich die Märkte nahezu auf das Vorkrisen-Niveau zurück. Das bedeutet, dass Gas künftig wieder eine günstige Wärmeerzeugung ermöglicht. Gas sehe ich auf keinen Fall als Auslaufmodell. Gerade in der Debatte um die Wärmeversorgung denken viele Menschen vorwiegend an die Heizung im Einfamilienhaus. Die meisten Menschen leben allerdings in Mehrfamilienhäusern. Sie benötigen ebenfalls eine sichere und bezahlbare Wärmeversorgung. Hier ist die Wärmepumpe häufig schwer einzusetzen. Generell benötigt auch die Wärmepumpe eine gesicherte Leistung an Strom. Diese Leistung können flexible Gaskraftwerke sehr gut, die schwankenden erneuerbaren Energien – vor allem im Winter – jedoch nicht so gut liefern. Diese Lieferengpässe an Strom im Winter können dann schnell auch hohe Betriebskosten für Wärmepumpen nach sich ziehen.

Wie stellt sich die GVG auf die Änderungen im Energiemarkt ein? Gibt es spannende Zukunftsprojekte?

Wir arbeiten als GVG stark daran, Wasserstoff in den Wärmemarkt zu integrieren, und glauben an diese Lösung. Wasserstoff verbrennt CO2-frei und bietet eine gute Möglichkeit, die Gasversorgung zu dekarbonisieren und klimafreundlicher zu machen. In unserem Projekt H2-MiX (www.h2-mix.de) erproben wir in Erftstadt aktuell eine 20-prozentige Wasserstoff-Beimischung in der Erdgasversorgung. Wir planen allerdings auch ein Projekt mit einer 100-prozentigen Wasserstoffversorgung. Auch in der Produktion von Wasserstoff aus Erdgas, bei der der enthaltene Kohlenstoff abgeschieden und gespeichert wird, planen wir ein Projekt an einem Standort in der Region. Daneben erweitern wir die wirtschaftliche Basis der GVG, indem wir uns in regenerativer und klimafreundlicher Stromerzeugung engagieren und unseren Kunden Produkte wie Photovoltaik-Anlagen und Ladeboxen sowie Strom aus regenerativen Energien anbieten.